Die Islas de Revillagigedo waren und sind eines unserer Traumziele. Deshalb sind wir den ganzen weiten Weg von Französisch Polynesien über Hawaii und Kalifornien nach Mexiko gesegelt. Vom Südspitz der Baja California sind es nur mehr ca. 250 Seemeilen zu diesem Archipel, das eine Landfläche von 157 km² hat und aus vier Inseln besteht. Es ist unbewohnt, abgesehen von einer Marinebasis mit einer Besatzung von 45 Personen im Süden der größten Insel Socorro, sowie einer kleinen Garnison mit 9 Mann auf Clarion.
In den 1990iger Jahren erkannte man die Besonderheit der lokalen Flora und Fauna und stellte es 1994 als Biosphärenreservat unter Schutz. Das Revillagigedo Island Marine Reserve ist ein Unterwasser-Schutzgebiet in dem es seitdem ein Fischereiverbot gibt, das von der mexikanische Marine seit 1999 überwacht wird. Seit 2016 ist es außerdem ein UNESCO Naturdenkmal, sowie seit 2017 ein komplett geschützter mexikanischer Nationalpark. Zum Schutz der Reste der Flora und Fauna darf man auch nicht mehr an Land gehen. Die Islas de Revillagigedo liegen direkt am Zusammenfluss des Kalifornischen Stroms von Norden und des Equatorialstroms. Diese beiden Meeresströmungen generieren eine komplexe und hoch produktive Zone um die Inseln. Deshalb sind die umgebenden Gewässer besonders reich an marinem Leben und sehr wichtig als sogenannte „stepping stones“ und Rastplatz für viele Arten über und unter Wasser. Es wimmelt von Haien, Rochen, großen pelagischen Fischen, Buckelwalen, Schildkröten und vor allem Ozeanischen Mantas. Außerdem ist die Sicht unter Wasser mit über 50 m fast immer ausgezeichnet.
14 der insgesamt 16 Landvogelarten, eine Seevogelart und alle vier Landwirbeltiere (2 Schlangenarten, 2 Eidechsenarten) sind endemisch (d.h. sie kommen nur hier vor). Socorro, die mit Abstand größte der Inseln, hat viele endemische Pflanzenarten. Clarion ist am weitesten vom Festland entfernt und hat deshalb nur wenige. Alle vier Inseln sind vulkanischen Ursprungs, allerdings ist nur mehr San Benedicto aktiv. Der letzte Ausbruch war 1952 und hinterließ nicht nur einen spektakulären Aschekegel und Krater sondern rottete auch die einzige endemische Vogelart dort aus.
Besonders bekannt sind diese Inseln vor allem unter Tauchern und werden auch gerne „mexikanisches Galapagos“ genannt. Es ist einer der wenigen Plätze auf der Erde, wo man mit Sicherheit jede Menge ozeanischer Mantas sehen kann. Diese „Giant Manta Rays“ interagieren mit den Tauchern wie an keinem anderen Platz auf der Welt. Je nach Jahreszeit trifft man außerdem auf verschiedene Haiarten, besonders Seidenhaie, Hammerhaie, Galapagoshaie und Tigerhaie sowie im Herbst auch auf die beeindruckenden Walhaie. Im Frühjahr gebären hier Buckelwale ihre Jungen. Wir hören sie oft singen, während der Tauchgänge und sogar im Rumpf unseres Bootes, wenn wir im Bett liegen. Auch Große Tümmler lassen sich immer wieder unter Wasser blicken und haben keinerlei Scheu vor Tauchern.
Jedes Boot, das die Revillagigedos besuchen möchte, muss schon seit langer Zeit ein Permit beantragen und bezahlen. In den letzten Jahren hat sich allerdings viel verändert und dieses Archipel wurde in die mexikanischen Nationalparks eingegliedert.
Nachdem wir es geschafft haben uns ein Permit zu organisieren, welches erstaunlicherweise nichts gekostet hat und nur ein wenig Papierkram erforderte, segeln wir voller Erwartungen von Cabo San Lucas aus los. Bei gutem Wind erreichen wir nach knapp über zwei Tagen San Benedicto und ankern für einen Tag im Süden der Insel, wo es guten Sandboden gibt. Danach wollen wir gleich weiter nach Socorro, der größten Insel, da dort Seglerfreunde von uns schon länger vor Anker liegen. Wir sind beeindruckt von der Landschaft mit dem großen Aschekrater und dem erkalteten Lavastrom aus den 50iger Jahren. Trotz Müdigkeit machen wir sofort einen ersten Tauchgang beim sogenannten „Canyon“, bei dem wir gleich mal zwei Hammerhaie beobachten können, die mit einem Fischschwarm im Kreis schwimmen. Wow! Das fängt ja gut an!
Am Abend geht es weiter nach Punta Tosca, auf der Nordwestseite von Socorro. Dort ankern wir in tieferem Wasser aber geschützt vor dem Wind hinter Klippen. Als der Anker unten ist sehen wir gleich mal einige Seidenhaie (Carcharhinus falciformis) ums Boot schwimmen. Sie begutachten mit Interesse unsere Ankerkette und den Rumpf bzw. unsere Badeleiter. Also mit ins Wasser gehen direkt beim Boot sieht es nicht so gut aus ;-) Hier machen wir einige Tauchgänge bei der „Wall“, einer Steilwand, die ins Freiwasser hinausragt. Im seichten Wasser beim sogenannten „Aquarium“ können wir immer wieder Grüne Meeresschildkröten (Chelonia mydas) beobachten, die hier auch an den wenigen Sandstränden nisten. Weißspitzen- (Triaenodon obesus) und Galapagoshaie (Carcharhinus galapagensis) sichtet man bei jedem Tauchgang. Am Ankerplatz selber wimmelt es, wie wir schon beim Ankern festgestellt haben, von Seidenhaien (Carcharhinus falciformis). Schnorcheln ist mit einigem Nervenkitzel verbunden, da diese Seidenhaie sehr neugierig sind und im Gegensatz zu den meisten anderen Haiarten sehr schnell in die persönliche Komfortzone eindringen. Endlich sehen wir auch unseren ersten ozeanischen Manta (Mobula birostris) an uns vorbei „fliegen“. Er ist nicht sehr interessiert an uns und schwimmt einfach gemütlich die Felswand entlang. Auch Buckelwale schwimmen immer wieder an unserem Boot vorbei. Plötzlich springt ein junger Buckelwal direkt neben der Pakia tea komplett aus dem Wasser. Gefolgt von seiner Mutter, die so nahe ist, dass sie uns sogar das Wasser ins Gesicht spritzt. Ein fantastisches Schauspiel!
Nach einigen windigen Tagen müssen wir uns kurz zu der Militärbasis ankern, um uns offiziell zu melden. Dort werden unsere Daten aufgenommen und das Permit kontrolliert. Danach segeln wir an die Ostseite weiter und ankern uns nach Cabo Pearce, unserem nächsten Tauchplatz. Dieser Platz ist ziemlich offen und so haben wir einige Tage auch etwas Schwell.
Auch hier wimmelt es von Seidenhaien, die in der Nacht sehr aktiv werden, als wir eine Lampe ins Wasser halten. Sofort beginnen sie im Lichtschein zu jagen. Später kommen auch noch Delfine dazu und so geht es rund um unser Boot. Nur nicht ins Wasser fallen! Alle anderen Segelboote sind in der Zwischenzeit weiter gesegelt und so sind wir alleine zwischen den 10 verschiedenen Tauchbooten, die aber immer nur ein bis zwei Tage an einem Ankerplatz verweilen. Wir machen nun immer zwei Tauchgänge am Tag und versuchen diese so zu timen, dass wir nicht gleichzeitig mit einer Tauchgruppe im Wasser sind. Oft sind wir aber sowieso das einzige Boot am Ankerplatz.
Wir haben nach einigen Versuchen einen speziellen Weg gefunden, unser Dinghy sicher während der Tauchgänge zu befestigen ohne die Unterwasserwelt zu beschädigen. Dazu nehmen wir eine 20 m lange und 10 mm starke Kette, die wir mit Bojen im Freiwasser schweben lassen. So ist nur der Anker am Boden befestigt und die schwere Kette schwebt über den Korallen. Am Ende des Tauchganges heben wir die Ankerkette mit kleinen Hebeballons (wasserdichtem Sack, Tauchboje) auf und machen dort unseren Sicherheitsstopp, während das Dinghy in der Strömung treibt. Der Hauptgrund, warum wir eine Kette statt einem Seil verwenden ist, dass die Mantas diese Kette im Freiwasser leicht sehen können, im Gegensatz zu Seilen. Wir haben gehört, dass sie sich öfters in den Seilen verhängen, und da sie nicht rückwärts schwimmen können fangen sie dann an Purzelbäume zu schlagen, wobei sie sich manchmal so verheddern, dass sie mit dem ganzen Dinghy davon rauschen. So sehen wir gleich beim ersten Mal, dass die Mantas diese Kette inklusive der Bojen gut sehen können und ausweichen. Nun haben wir keine Sorge, unser Dinghy immer am Ankerplatz vorzufinden.
Cabo Pearce ist ein spektakulärer Tauchplatz. Von einer steilen Felswand, die senkrecht in die Tiefe ragt, gehen Ausläufer weit ins offene Meer hinaus. Voller Erwartungen geht es ins Wasser und wir beobachten gleich mal einen Manta. Danach besuchen uns drei Große Tümmler (Tursiops truncatus) und schwimmen sehr nahe an uns vorbei, so als ob sie einfach mal „Hallo“ sagen wollen. In der Nacht bekommen wir oft Besuch von den Buckelwalen, die direkt neben unserer Pakia tea die Nacht verbringen. So können wir den Gesprächen zwischen Mutter und Kind lauschen, die ständig miteinander kommunizieren. Wir schauen zwar immer unter Wasser, bevor wir vom Dinghy unseren Tauchgang beginnen, aber einmal lande ich trotzdem fast auf einem Manta, der gerade seine Runden unter unserem Dinghy zieht oder es begutachtet. Außer den ozeanische Mantas sehen wir diverse Haie (Weißspitzenriff-, Seiden-, Galapagos-, Hammerhaie), Gelbflossen-Tunfische (Thunnus albacares), einen Wahoo (Acanthocybium solandri) und vieles andere. Jeder Tauchgang ist besonders und man weiß nie, was einen erwartet.
Danach segeln wir wieder nach San Benedicto, um endlich mal am berühmten Tauchplatz - dem „Boiler“ - tauchen zu gehen. Dieser ist weltweit bekannt als Putzerstation für die ozeanischen Mantas (Mobula birostris). Es handelt sich dabei um einen großen, senkrecht nach oben ragenden Felsen, dessen Oberseite ca. 2 m unter Wasser liegt und gut mit Korallen bewachsen ist. Das ist auch der Grund, warum man nicht direkt an der Oberseite ankern soll. Auf der Ostseite gibt es einen kleinen Felsvorsprung (ridge), an dem wir unseren Anker gut in etwa 10 m Tiefe befestigen können, ohne Korallen zu zerstören. Der Name „Boiler“ kommt daher, weil bei Schwell die Wellen darüber brechen und es aussieht, als würde das Wasser sieden - boilen. Ist man nicht mit einem der großen Tauchboote unterwegs, empfiehlt es sich auf gute Bedingungen - niedriger Schwell, wenig Wind - zu warten. Außerdem kann die Strömung je nach Tageszeit sehr stark sein. Beim ersten Tauchgang haben wir eine ganze Gruppe Taucher mit uns unter Wasser. Aber wir sehen auch mindestens 7 verschiedene Ozeanische Mantas, die sehr interessiert an den Tauchern und deren Blasen erscheinen. Wir genießen diesen Anblick und erkennen einen „Black Morph“ Manta. Diese sind an der Oberseite komplett schwarz und an der Unterseite schwarz mit einem weißen Muster. Ungefähr 25-30% einer Population sind „Black Morph“ Mantas, wobei es auf den Revillagigedos den größten Anteil weltweit gibt. Auch unsere Manta ID‘s sind zu 35% Black Morph Mantas. Die restlichen Tauchgänge am Boiler sind wir meist alleine unter Wasser und haben viele tolle Interaktionen und Sichtungen von Mantas. Sie sind wirklich sehr neugierig und kommen oft sehr nahe. Wir versuchen so viele ID- Fotos wie möglich zu machen, um diese dann dem Pacific Manta Ray Project zur Verfügung zu stellen. Wir beobachten natürlich auch wie die Mantas geputzt werden. Hier auf den Revillagigedos wird das vom knall orangen Clarion-Engelfisch (Holacanthus clarionensis) übernommen. Der Manta schwimmt nahe am Boiler vorbei und macht eine leichte Aufwärtsbewegung mit seinem Körper. Das ist scheinbar die Aufforderung für den Clarion-Engelfisch zum Putzen. Er schwimmt zum Manta ins Freiwasser und beginnt sofort die Ektoparasiten von seiner Haut zu fressen. Sie reinigen auch die Kiemen und Kiemenreusen in der Mundhöhle. Immer wieder beobachten wir den Clarion-Engelfisch wie er aufmerksam einen nahenden Manta beobachtet, um dann zum geeigneten Zeitpunkt auf ihn zu zu schwimmen und seine Arbeit zu beginnen.
Um den Boiler sehen wir manchmal Galapagoshaie (Carcharhinus galapagensis) und große Schulen von Grossaugenmakrelen (Caranx sexfasciatus), sowie Grüne Meeresschildkröten (Chelonia mydas).
Am südlichen Tauchplatz „Canyon“ begegnen uns auch immer Mantas, vor allem am sogenannten „Mantarock“. Oft schwimmen sie den ganzen Tauchgang mit uns mit. Sehr interessiert sind sie auch an unserem Dinghy-Anker Setup. Sie beobachten Tom immer genau beim Aufblasen der Hebeballons und begleiten uns beim Sicherheitsstopp. Auch eine Gruppe Delfine ist einige Tage immer beim Tauchplatz und besucht uns während des Tauchganges. Die Haie kommen teilweise sehr nahe, wie zum Bsp. ein besonders neugieriger Silverspitzenhai (Carcharhinus albimarginatus). Vielleicht interessiert ihn auch nur Toms große Unterwasserkamera. Seidenhaie (Carcharhinus falciformis) sind immer sofort zur Stelle, wenn wir auftauchen. So können wir sie gut beobachten und einige tolle Bilder machen. Seidenhaie leben die meiste Zeit am offenen Meer und jagen am liebsten über dem Kontinentalschelf. Bei den ozeanischen Inseln entlang der amerikanischen Küste (Revillagigedos, Cocos, Galapagos) kann man sie aber in größeren Gruppen antreffen. Vermutlich hat es mit der Fortpflanzungszeit zu tun, denn laut Studien gebären die Seidenhaie zwischen Mai und August in dieser geografischen Region ihre Jungen. Bei unserem ersten Besuch im Februar und März wimmelt es nur so von Seidenhaien. Als wir die Inseln im November noch einmal besuchen, finden wir tatsächlich keinen einzigen mehr vor. Außerdem wimmelt es nur so von Langusten, die tagsüber über offene Flächen wandern und in großen Gruppen bei Felsen und in Höhlen sitzen. Noch nirgendwo sonst sind uns so viele Langusten aufgefallen, geschweige denn welche die tagaktiv sind und einfach so am Meeresboden entlang spazieren. Meist findet man nur einzelne Exemplare, die sich tagsüber in Höhlen verstecken. Dadurch, dass hier niemand wohnt und fischen streng verboten ist, können sie sich uneingeschränkt vermehren.
Danach geht es noch einmal nach Punta Tosca auf Socorro, wo wir bei einem Tauchgang einen Tigerhai (Galeocerdo cuvier) erblicken. Wir tauchen gerade entlang der „Wall“ als er über uns auftaucht. Er verhält sich sehr eigenartig, da er dorthin schwimmt wo unsere Blasen an die Oberfläche gelangen. Er wirkt dann leicht irritiert und verschwindet bald wieder im Blau des Ozeans. Den restlichen Tauchgang blicken wir immer wieder über unsere Schulter, sehen ihn aber nicht noch einmal.
Im November begegnet uns bei unserem letzten Tauchgang bei Cabo Pearce doch tatsächlich ein Walhai (Rhincodon typus). Wir haben zwar gehört, dass die im Herbst um die Inseln zu finden sind, hatten aber die Hoffnung schon aufgegeben, wirklich einen zu Gesicht zu bekommen.
Nun wird es für uns aber leider Zeit diesen fantastischen Platz wieder zu verlassen. Alle Tauchgänge waren einfach spektakulär und werden uns immer in Erinnerung bleiben. Wie planen wir also unsere weitere Segelroute, um nochmal hier vorbei zu kommen?