Nach einer bewegten Überfahrt von Chagos nach Rodrigues sind wir endlich wieder in der Zivilisation angelangt. Man legt direkt im Hafen von Port Mathurin an, die Einreiseformalitäten werden prompt und sehr freundlich erledigt. Man erfährt dabei auch wissenswertes über die Insel, den großen Samstagsmarkt und dass der nette Zollbeamte auch begnadeter Sprinter ist und gleich am 400m Wettbewerb teilnimmt (daher der Trainingsanzug...).
Die Menschen hier sind vorwiegend Afrikanischer Abstammung, 96% sind Christen. Im Gegensatz zu Mauritius wo 50% anderen Glaubensrichtungen anhängen. Es gibt nur eine kleine Minderheit an Muslimen, was uns sofort an der Bekleidung der Frauen auffällt. Alle sprechen Englisch (die offizielle Amtssprache), Französisch und Mauritius Kreolisch und sind ausgesprochen freundlich. Die Insel gehört zu Mauritius ist aber in den meisten Dingen autonom.
Wir sind beeindruckt von mehreren gemeinnützigen Projekten für ärmere und benachteiligte Inselbewohner. CARE-CO etwa gibt Menschen mit besonderen Bedürfnissen die Möglichkeit eine Schule zu besuchen und in weiterer Folge ein Handwerk zu erlernen. Dort werden Kokosnüsse bearbeitet und aus ihnen Schmuck, Schüsseln, Spielzeug und anderes erzeugt. Bei einem sehr interessanten und informativen Besuch bei CARE-CO bekommt man einen Einblick in die Bearbeitung von Kokos und bei der Führung über das Gelände auch die Bienen zu sehen, die einen preisgekrönten Honig produzieren. Im „Centre de Formation Agricole Frere Remi“ werden jugendliche Schulabbrecher zu Bio-Landwirten ausgebildet. Sie lernen dort den Umgang mit Tieren und wie man biologisches Getreide, Gemüse und Obst anbaut. Das Gemüse und Obst findet reissenden Absatz in Port Mathurin und ist immer gleich ausverkauft. Eine ganz tolle Sache!
Die Insel wurde 1528 von Diego Rodrigues entdeckt – daher der Name. Aber erst im 17 Jahrhundert begannen Menschen auf ihr zu leben. Damals gab es noch eine Population von mindestens 400.000, wenn nicht sogar mehr, Riesenschildkröten. Innerhalb von hundert Jahren wurden die zwei endemischen Riesenschildkröten Cylindraspis vosmaeri und Cylindraspis peltastes leider vom Menschen ausgerottet, wie auch viele andere besondere Tierarten (zum Bsp. Riesensalamander und Solitär Vogel).
Doch mittlerweile gibt es wieder Riesenschildkröten auf der Insel. In einem tollen Projekt – dem Francois Leguat Giant Tortoise and Cave Reserve – werden Aldabra Riesenschildkröten (Aldabrachelys gigantea) seit 2004 gezüchtet und dürfen sich in einem natürlichen Canyon frei bewegen. Auch mehr als 186.000 endemische und einheimische Pflanzenarten wurden mittlerweile im und ums Reservat gepflanzt. So kann man im Canyon Tiyel einen Eindruck davon bekommen wie das ursprüngliche Rodrigues mit vielen Schildkröten und einheimischen Bäumen und Büschen ausgesehen haben mag. Man darf die teilweise über 100 Jahre alten Aldabra Schildkröten sogar unter Aufsicht streicheln und mit Blättern füttern. Streicheln haben sie besonders gerne und strecken dabei ihren Hals immer weiter in die Höhe. Auch Radiata Schildkröten (Astrochelys radiata) und die einzige einheimische und endemische Säugetierart ein Flughund (Pteropus rodericensis) finden hier ein Heim. Von diesen Rodrigues Fledermäusen gab es in den 1970iger Jahren nur mehr an die 70 Exemplare. Inzwischen ist die Zahl wieder auf über 2000 angewachsen.
Im Besuch des Reservats ist auch ein Besuch einer der vielen Tropfsteinhöhlen inkludiert, in denen man bizarre Stalaktiten und Stalagmiten bestaunen kann. Außerdem gibt es ein tolles kleines Museum, wo man viel über die Geschichte und die Tiere der Insel – besonders des Solitär Vogels und der Riesenschildkröten - erfahren kann.
Um Sümpfe trocken zu legen wurden im späteren Verlauf viele Eukalyptus Bäume gepflanzt, die inzwischen besonders bei den Bienenzüchtern und holzverarbeitenden Firmen beliebt sind. Die Fähigkeit dieser Pflanzen, jede noch so kleine Wasserreserve anzuzapfen und auszusaugen mag ja für den ursprünglichen Zweck sehr vorteilhaft gewesen sein – anscheinend erinnert sich aber niemand mehr daran. Obwohl Rodrigues mittlerweile im Sommer unter ernsthaften Dürren leidet, wird fleißig weiter Eukalyptus gepflanzt. Möglicherweise sollte langsam wieder begonnen werden, Eukalyptus-Bäume mit einheimischen Arten zu ersetzen.
Übrigens ist es am besten mit den öffentlichen Bussen die Insel zu erkunden. Unzählige Wanderrouten laden zu stundenlangen Spaziergängen an der Küste oder im Landesinneren ein. Auch zum Mountainbiken, Tauchen und Kite-Surfen ist Rodrigues perfekt geeignet.
Immer eine Reise wert und ein Geheimtipp für alle, die dem Massentourismus entfliehen und trotzdem etwas besonders sehen wollen.